Sigelwara Land

Sigelwara Land ist ein in zwei Teilen geschriebener Aufsatz des englischen Schriftstellers J. R. R. Tolkien. Der erste Teil wurde im Dezember 1932 veröffentlicht; der zweite Teil im Juni 1934. Die Manuskripte und Korrekturfahnen zum Aufsatz befinden sich in der Bodleian Library an der Universität Oxford.

Inhalt

In dem Aufsatz beschäftigt sich J.R.R. Tolkien mit der Frage, warum die Angelsachsen mit Sigelwara eine eigene Bezeichnung für die Äthiopier hatten und was der Name bedeutete.

Im ersten Teil führt Tolkien alle Stellen auf, an denen der altenglische Begriff Sigelwaran und dessen häufigere Form Sigelhearwan vorkommen.

Tolkien glaubt, dass der Name Sigelhearwan bereits existierte, bevor die Angelsachsen je von Äthiopiern gehört hatten, und dass in ihm ein Teil der „untergegangenen einheimischen Mythologie [...] oder halbmythischen Geographie“ bewahrt ist. Entsprechend sei es sehr wahrscheinlich, dass die Bestandteile des Wortes alt und deren Bedeutungen unklar seien. Er untersucht ihre Formen und kommt zu dem Ergebnis, dass Sigelwara vermutlich eine recht späte Entstellung sei, geprägt von Menschen, die den ursprünglichen Namen nicht mehr verstanden. Diese hätten anscheinend Sigel für eine geographische Bezeichnung gehalten und das ihnen unbekannte hearwa durch wara (dt. Bewohner) ersetzt.

Im zweiten Teil des Aufsatzes geht Tolkien auf die Bedeutung der beiden Bestandteile des Wortes ein:

Sigel ist mit der Bedeutung Sonne, aber auch Edelstein, mehrfach belegt. In welchem Sinne es hier gebraucht wurde, kann auch er nicht endgültig klären. Im Allgemeinen wird angenommen, dass es Sonne bedeutet, was auch Tolkien für wahrscheinlich hält.

Die Bedeutung von hearwa bleibt unklar. Tolkien diskutiert drei Möglichkeiten ausführlicher:

  • Es ist abgeleitet von einer indoeuropäischen Wurzel *qer(s)- (dt. schwarz). Ein Sigelhearwa wäre danach jemand, den die Sonne schwarz gemacht hat.
  • Es stammt ab vom germanischen Farbadjektiv *haswo- mit ähnlicher Bedeutung.
  • Es ist verwandt mit gotisch haúri (dt. Kohle) und altnordisch hyr-r (dt. Feuer).

Tolkien bezeichnet den letzten Fall als den "etymologisch vielleicht attraktivsten" und meint, dieser bringe eher die Söhne Múspells denn die Kinder Hams[1] als die Vorfahren der Silhearwan vor Augen: "with red-hot eyes that emitted sparks, with faces black as soot".

Tolkien schließt mit der Feststellung, dass Untersuchungen dieser Art zwar zwangsläufig ergebnis-, nicht aber sinnlos seien: sie gewährten einen flüchtigen Einblick in den Hintergrund der englischen und nordischen Traditionen und die Vorstellungswelt einer Vergangenheit, die schon verblasst war, als die ersten schriftlichen Überlieferungen entstanden.

Literatur

  • J. R. R. Tolkien: Sigelwara Land. In: Medium Ævum. Band 1, Nr. 3, Dezember 1932, S. 183–196, doi:10.2307/43625831, JSTOR:43625831 (englisch). 
  • J. R. R. Tolkien: Sigelwara Land (Continued). In: Medium Ævum. Band 3, Nr. 2, 1934, S. 95–111, doi:10.2307/43625895, JSTOR:43625895 (englisch). 

Einzelnachweise und Anmerkungen

  1. Múspell ist ein Feuerriese der nordischen Mythologie, dessen Söhne bei den Ragnarök gegen die Götter kämpfen und in einem gewaltigen Brand die Welt vernichten. Ham ist laut Bibel (1. Mos. 5,32) der Sohn Noachs und Stammvater der Hamiten, der Völker Nordafrikas und Südarabiens (1. Mos. 10, 6-20).
VD
Werke J. R. R. Tolkiens
Belletristik

Songs for the Philologists (1936) • Der Hobbit (1937) • Blatt von Tüftler (1947) • The Lay of Aotrou and Itroun (1945) • Bauer Giles von Ham (1949) • The Homecoming of Beorhtnoth Beorhthelm’s Son (1953) • Der Herr der Ringe (1954/55) • Die Abenteuer des Tom Bombadil und andere Gedichte aus dem Roten Buch (1962) • Tree and Leaf (1964) • The Tolkien Reader (1966) • The Road Goes Ever On (1967) • Smith of Wootton Major (1967)

Posthum
veröffentlichte
Belletristik

Die Briefe vom Weihnachtsmann (1976) • Das Silmarillion (1977) • Nachrichten aus Mittelerde (1980) • Mr. Bliss (1982) • Bilbos Abschiedslied (1990) • The History of Middle-earth (12 Bände; 1983–1996) • The Lost Road and Other Writings (1987) • Roverandom (1998) • Die Kinder Húrins (2007) • The History of The Hobbit (2007) • Die Legende von Sigurd und Gudrún (2009) • König Arthurs Untergang (2013) • Die Geschichte von Kullervo (2015) • Beren und Lúthien (2017) • Der Fall von Gondolin (2018) • Natur und Wesen von Mittelerde (2021) • Der Untergang von Númenor (2022)

Akademische
Veröffentlichungen

A Middle English Vocabulary (1922) • Sir Gawain and the Green Knight (Mittelenglischer Text, 1925) • Some Contributions to Middle-English Lexicography (1925) • The Devil’s Coach-Horses (1925) • Ancrene Wisse and Hali Meiðhad (1929) • The Name Nodens (1932) • Sigelwara Land Teile I und II, in Medium Aevum (1932–1934) • Chaucer as a Philologist: The Reeve’s Tale (1934) • Beowulf: Die Ungeheuer und ihre Kritiker (1936) • The Reeve’s Tale: version prepared for recitation at the „summer diversions“ (1939) • On Fairy-Stories (1939) • Sir Orfeo (1944) • Ofermod and Beorhtnoth’s Death (1953) • Middle English „Losenger“: Sketch of an etymological and semantic enquiry (1953) • Ancrene Wisse: The English Text of the Ancrene Riwle (1962) • English and Welsh (1963) • Einleitung zu Tree and Leaf (1964) • Beiträge zur Jerusalemer Bibel (als Übersetzer und Lexikograph) (1966) • Tolkien on Tolkien (autobiografisch) (1966)

Posthume akademische
Veröffentlichungen

Sir Gawain and the Green Knight, Pearl und Sir Orfeo (Übersetzungen in moderne englische Sprache, 1975) • Finn and Hengest (1982) • The Monsters and the Critics (1983) • Beowulf and the Critics (2002) • Beowulf: A Translation and Commentary (2014) • A Secret Vice (2016)