Die Zustandssumme
ist ein wesentliches Werkzeug der statistischen Physik. Aufgrund des englischen Begriffs partition function wird die Zustandssumme auch Partitionsfunktion genannt[1], die aber nicht mit der Partitionsfunktion aus der Kombinatorik zu verwechseln ist.
Aus einer Zustandssumme (der Funktion, nicht dem Wert) lassen sich alle thermodynamischen Größen ableiten. Wenn die Teilchenzahlen
groß genug sind, kann man das System auch als kontinuierlich ansehen und die Zustandssummen als Zustandsintegrale formulieren.
Mikrokanonische Zustandssumme
Die mikrokanonische Zustandssumme dient zur Beschreibung eines abgeschlossenen Systems mit konstanter innerer Energie
, Volumen
und Teilchenzahl
ohne Austausch mit der Umgebung im thermodynamischen Gleichgewicht. Das zugehörige Ensemble heißt mikrokanonisches Ensemble. Es sei bereits an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass es zwei unterschiedliche Definitionen für die mikrokanonische Zustandssumme gibt: Bei der einen Definition wird über alle Zustände mit Energie kleiner
summiert und bei der anderen Definition wird lediglich über die Zustände in der Energieschale um
summiert.
Abzählbare Zustände
Zunächst werden solche Systeme betrachtet, die sich in einem aus einer endlichen oder abzählbaren Zahl von Mikrozuständen befinden können (Systeme mit überabzählbaren / kontinuierlichen Zuständen werden weiter unten diskutiert).
Für derartige Systeme ist (in der ersten Definition) die mikrokanonische Zustandssumme
gegeben durch die Zahl jener Mikrozustände
eines abgeschlossenen Systems bei gegebener Energie
, Teilchenzahl
und Volumen
(und evtl. weiteren Parametern), deren Gesamtenergie
kleiner oder gleich
ist:
![{\displaystyle Z_{\mathrm {m} }(U,N,V)=\!\!\!\sum _{E_{\psi }(N,V)\leq U}\!\!\!1.}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/d80535b1f37ff7174fe6f39f045b31178c34b2fd)
In der zweiten verbreiteten Definition der mikrokanonischen Zustandssumme
ist diese gegeben durch die Zahl der Zustände, deren Energie
im Intervall
liegt:
![{\displaystyle z_{\mathrm {m} }(U,N,V)=\!\!\!\sum _{U<E_{\psi }(N,V)\leq U+\Delta U}\!\!\!1=Z_{\mathrm {m} }(U+\Delta U,N,V)-Z_{\mathrm {m} }(U,N,V).}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/8b2cdcc568440fd682fa1b2f064a6ec57091558a)
Befindet sich das System im Gleichgewicht (also im Zustand maximaler Entropie), so ist die Wahrscheinlichkeit, einen bestimmten Mikrozustand
anzutreffen:
![{\displaystyle P(\psi |U,N,V)={\begin{cases}{\frac {1}{z_{\mathrm {m} }(U,N,V)}}&{\text{falls }}E_{\psi }(N,V)=U,\\0&{\text{sonst.}}\\\end{cases}}}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/20d7772e331e1485f5ce0b366af4ad4836b7ede4)
Kontinuierliche Zustände
In der klassischen Mechanik werden häufig Systeme betrachtet, deren Mikrozustand sich kontinuierlich ändern kann. Ein Beispiel ist das ideale Gas. Der
-Raum (auch Phasenraum genannt) eines idealen Gases bestehend aus
Teilchen hat
Dimensionen:
Dimensionen für die Ortskoordinaten und
für die Impulskoordinaten. Jeder Punkt
im Phasenraum entspricht einem Zustand
des Systems mit Energie
, wobei
die Hamiltonfunktion des Systems mit Teilchenzahl
und Volumen
ist. Da die in der Mikrokanonik betrachteten abgeschlossenen Systeme eine konstante Energie haben, ergeben die erlaubten Zustände im
-Raum eine Hyperfläche, auf der sich das System bewegen kann. Die Zustandssumme für ein solches Gas ist das von dieser
-Hyperfläche umschlossene Volumen, welches sich als Zustandsintegral schreiben lässt: [2]
![{\displaystyle Z_{\mathrm {m} }(U,N,V)\;=\int \limits _{H(p,q,N,V)\leq U}{\frac {\mathrm {d} ^{3N}p\;\mathrm {d} ^{3N}q}{h^{3N}N!}}=\int \limits _{\mathbb {R} ^{6N}}\theta (U-H(p,q,N,V)){\frac {\mathrm {d} ^{3N}p\;\mathrm {d} ^{3N}q}{h^{3N}N!}},}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/db07cadb53539e81de6f0b72f0c94231791895d5)
wobei
die Heaviside-Funktion ist. Damit ist die Zustandsdichte bestimmt durch:
![{\displaystyle D:={\frac {\mathrm {d} Z_{\mathrm {m} }(U,N,V)}{\mathrm {d} U}}=\int \limits _{\mathbb {R} ^{6N}}\delta (U-H(p,q,N,V)){\frac {\mathrm {d} ^{3N}p\;\mathrm {d} ^{3N}q}{h^{3N}N!}}.}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/3366f9c6f3eb793881152fba52dfa88fa8d544d1)
Hierbei ist
die Diracsche δ-Funktion. Es gilt
[3]
Die Wahrscheinlichkeit, das Gas um einen bestimmten Zustand
herum anzutreffen, ist
.
Oft findet man auch eine andere Definition der mikrokanonischen Zustandssumme. Summiert bzw. integriert wird dann über die Energieschale von
bis
um die
-Hyperfläche des Systems im
-Raum. Die Schale hat dabei die Breite
. Die diskrete Variante lautet (wie oben beschrieben)
;
für kontinuierliche Systeme ist die Zustandssumme dann
.
Für
nähern sich die Werte von
und
einander an, da sich fast alle Zustände in der Randschale befinden.
Kanonische Zustandssumme
In der kanonischen Gesamtheit wird nicht die Energie des Systems vorgegeben, sondern die Temperatur. Diese Gesamtheit heißt auch Gibbs-Ensemble (siehe auch Kanonischer Zustand). Die Zustandssumme ist
![{\displaystyle Z_{k}(N,V,T)=\sum _{i}\mathrm {e} ^{-{\frac {E_{i}}{k_{\mathrm {B} }T}}}}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/8ef2d4b517b8443052672183e940c1db2b063083)
mit der Boltzmann-Konstante
. Die kanonische Zustandssumme kann äquivalent geschrieben werden als:
,
wobei die Zustandsdichte
![{\displaystyle \rho (E):=\sum _{i}\delta (E-E_{i})}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/8e08dcf6d476046da11f4f2603a77aca1df9dbd3)
eingeführt wurde.
Die Besetzungswahrscheinlichkeit eines Mikrozustandes
ist
![{\displaystyle p_{i}={\frac {1}{Z_{k}(N,V,T)}}\mathrm {e} ^{-{\frac {E_{i}}{k_{\mathrm {B} }T}}}.}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/5d10bb3d0fd9d1c57ff657c9d1affdfed0565cea)
Das kanonische Zustandsintegral im dreidimensionalen Raum ist
![{\displaystyle Z_{k}(N,V,T)=\int \mathrm {e} ^{-{\frac {H(\mathbf {p,q} )}{k_{\mathrm {B} }T}}}\,{\frac {\mathrm {d} ^{N}\mathbf {p} \;\mathrm {d} ^{N}\mathbf {q} }{h^{3N}N!}}.}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/a19309f1cdaac18031c2ad259e3061256c561d81)
Dabei ist
die Hamilton-Funktion. Der Gibbs-Faktor
stammt von der Ununterscheidbarkeit der Teilchen. Wenn man diesen Faktor wegließe, hätte man stattdessen
unterscheidbare Zustände und im Vergleich
zu viele Mikrozustände, was das Gibbssche Paradoxon zur Folge hätte: Zwei durch eine Trennwand getrennte Mengen des gleichen idealen Gases weisen die gleiche Temperatur und den gleichen Druck auf. Beim Herausziehen der Trennwand beobachtet man ohne den
Faktor fälschlicherweise eine Entropiezunahme.
Großkanonische Zustandssumme
In der großkanonischen Gesamtheit wird statt der Teilchenzahl
das chemische Potential
vorgegeben. Die Wahrscheinlichkeit eines bestimmten Mikrozustandes
ist
![{\displaystyle p_{i}={\frac {1}{Z_{g}(\mu ,V,T)}}\mathrm {e} ^{-{\frac {E_{i}-\mu N_{i}}{k_{\mathrm {B} }T}}}.}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/598f142255da55ed6180fac3ea34d11cb50cf5d5)
Die Zustandssumme ist
![{\displaystyle Z_{g}(\mu ,V,T)=\sum _{i}\mathrm {e} ^{-{\frac {E_{i}-\mu N_{i}}{k_{\mathrm {B} }T}}}.}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/3e36bd0595ed64ac8c8996520637fe1cf9a13a2e)
In integraler Schreibweise lautet die Zustandssumme bzw. das Zustandsintegral
![{\displaystyle Z_{g}(\mu ,V,T)=\sum \limits _{N=0}^{\infty }\int \mathrm {e} ^{-{\frac {E(\mathbf {p,q} )-\mu N}{k_{\mathrm {B} }T}}}\,{\frac {\mathrm {d} \mathbf {p} \;\mathrm {d} \mathbf {q} }{h^{3N}N!}}.}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/6c56b9745a7d1e237310639fd36498fb7a63dea4)
Man kann die großkanonische Zustandssumme aus der kanonischen Zustandssumme und der Fugazität
erhalten:
![{\displaystyle Z_{g}(\mu ,V,T)=\sum \limits _{N=0}^{\infty }Z_{k}(N,V,T)z^{N}=\sum _{N=0}^{\infty }Z_{k}(N,V,T)\,\mathrm {e} ^{\frac {\mu N}{k_{\mathrm {B} }T}}.}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/ec5925520c44e86692abea338c4bbbab4c75883b)
Berechnung der thermodynamischen Potentiale
![{\displaystyle {\begin{alignedat}{3}S(N,V,E)&=&&k_{\mathrm {B} }&&\,\ln Z_{m}(N,V,E)\\F(N,V,T)&=-&&k_{\mathrm {B} }T&&\,\ln Z_{k}(N,V,T)\\\Omega (\mu ,V,T)&=-&&k_{\mathrm {B} }T&&\,\ln Z_{g}(\mu ,V,T)\end{alignedat}}}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/0681479a67620d4c2dd5f2a9b9598547d087c926)
Hier ist
Siehe auch
Einzelnachweise
- ↑ Florian Scheck: Theoretische Physik 5: Statistische Theorie der Wärme. Springer, 2008, ISBN 978-3-540-79823-1, S. 98 (online).
- ↑ P. Hertz, Ann. Phys. (Leipzig) 33, 225 (1910). P. Hertz, Ann. Phys. (Leipzig) 33, 537 (1910).
- ↑ Wolfgang Nolting, Grundkurs Theoretische Physik. Bd. 6: Statistische Physik, ISBN 978-3540205050, S. 27
Literatur
- Richard Becker und Wolfgang Ludwig: Theorie der Wärme (Springer, Berlin, 1988), ISBN 3-540-15383-7
- Torsten Fließbach: Statistische Physik (1995), ISBN 3-86025-715-3 – Eine Einführung in die Statistische Physik und Thermodynamik