Objektive Bedingung der Strafbarkeit

Als objektive Bedingung der Strafbarkeit (auch objektive Strafbarkeitsbedingung oder Tatbestandsannex) wird im deutschen Strafrecht eine Voraussetzung der Strafbarkeit bezeichnet, die zwar objektiv, also tatsächlich, erfüllt sein muss, die aber das Unrecht der Tat und die Schuld des Täters nicht mitbegründet.

Nach herrschender Lehrmeinung gehört ein solches Tatbestandsmerkmal nicht zum objektiven Tatbestand. Es muss also nicht vom Vorsatz umfasst sein. Für einen Irrtum über ein solches Merkmal gilt auch nicht § 16 StGB, vielmehr ist die Vorstellung des Täters irrelevant, der Irrtum unbeachtlich.

Umstritten ist der Prüfungsstandort. Dogmatisch korrekt ist die Prüfung am Ende des Deliktsaufbaus nach der Schuld. Zumeist effizienter und daher in der Praxis auch häufiger ist jedoch die Prüfung als sogenannter Tatbestandsannex zwischen Tatbestand und Rechtswidrigkeit, die beim Nichtvorliegen der Bedingung somit überflüssige Ausführungen zu Rechtswidrigkeit und Schuld erspart.

Ob eine bloße objektive Bedingung der Strafbarkeit oder ein echtes objektives Tatbestandsmerkmal vorliegt, ist durch Auslegung zu ermitteln. Ersterer liegen stets Zweckmäßigkeitserwägungen, insbesondere Gründe der Strafökonomie, zugrunde.

Beispiele für bloße objektive Bedingungen der Strafbarkeit sind:

  • der Tod oder die schwere Verletzung eines Menschen beim Tatbestand der Beteiligung an einer Schlägerei § 231 StGB[1]
  • die „im Rausch begangene Tat“ beim Tatbestand des Vollrauschs § 323a StGB[1]
  • nach einer umstrittenen Ansicht auch die „Rechtmäßigkeit der Diensthandlung“ beim Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte § 113 StGB
  • die „Rechtmäßigkeit der Anlegung des Siegels“ beim Siegelbruch § 136 StGB
  • „wenn von einem Beteiligten der Gruppe eine Straftat nach den §§ 177 oder 184i begangen wird“ bei Straftaten aus Gruppen § 184j StGB[2][3]
  • die „Nichterweislichkeit der ehrenrührigen Tatsache“ bei übler Nachrede § 186 StGB[1]
  • die Zahlungseinstellung, die Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder die Ablehnung eines Insolvenzverfahrens mangels Masse im Rahmen der Insolvenzstraftaten, so bei den Tatbeständen Bankrott § 283 Abs. 6 StGB und Schuldnerbegünstigung § 283d Abs. 4 StGB[4]

Literatur

  • Otto Schwarz (Begr.), Thomas Fischer (Hrsg.): Strafgesetzbuch und Nebengesetze. 59. Auflage. Beck Verlag, München 2012, ISBN 978-3-406-60892-6, S. 129 (§ 17 Rn. 27).
  • Uwe Murmann: Grundkurs Strafrecht. Beck Verlag, München 2011, ISBN 978-3-406-61586-3, S. 66.
  • Thomas Rönnau: Grundwissen – Strafrecht: Objektive Bedingungen der Strafbarkeit. In: Juristische Schulung. 2011, S. 697. 
  • Johannes Wessels (Begr.), Werner Beulke (Bearb.): Strafrecht. Allgemeiner Teil. 41. Auflage. Müller Verlag, Heidelberg 2011, ISBN 978-3-8114-9822-8, S. 54 f.
  • Katharina Beckemper: Die Funktion der objektiven Bedingung der Strafbarkeit: Einschränkung auf strafbedürftige Fälle oder Verstoß gegen das Schuldprinzip? ZIS 2018, S. 394–402

Einzelnachweise

  1. a b c Thomas Rönnau: Grundwissen – Strafrecht: Objektive Bedingungen der Strafbarkeit. In: Juristische Schulung. 2011, S. 697. 
  2. Joachim Renzikowski: Nein! – Das neue Sexualstrafrecht. In: NJW 2016, 3553 (3557).
  3. BT-Drs. 18/9097, S. 31.
  4. Christian Brand: Vorbemerkungen zu den §§ 283 ff. In: Gabriele Cirener, Henning Radtke, Ruth Rissing-van Saan, Thomas Rönnau, Wilhelm Schluckebier (Hrsg.): Strafgesetzbuch : Leipziger Kommentar. 13. Auflage. Band 15. De Gruyter, Berlin / Boston, ISBN 978-3-11-048892-0, Rn. 61. 
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