Edgar Zilsel

Dieser Artikel oder Abschnitt bedarf einer grundsätzlichen Überarbeitung. Näheres sollte auf der Diskussionsseite angegeben sein. Bitte hilf mit, ihn zu verbessern, und entferne anschließend diese Markierung.

Edgar Zilsel (in Wien geboren am 11. August 1891 und verstorben am 11. März 1944 in Oakland) war ein österreichischer Ideenhistoriker und Wissenschaftsphilosoph. Obwohl er kein Kunsthistoriker war, wurde sein Werk über den Begriff des Genies von vielen Kunstspezialisten, wie Erwin Panofsky oder Charles de Tolnay, gelesen.

Fotografie von Edgar Zilsel, unbekanntes Datum.

Biografie

1891 in Wien geboren, zeigt Zilsel eine frühe intellektuelle Neugier, die sich von der Musik über die Literatur bis hin zu den Wissenschaften erstreckt. Er studierte Philosophie, Mathematik und Physik an der Universität Wien, wo er im Jahr 1915 seine Doktorarbeit über das Anwendungsproblem einreichte. Diese Dissertation, 1916 veröffentlicht unter dem Titel „Das Anwendungsproblem“, markiert den Beginn seines Denkens über die komplexe Beziehung zwischen mathematischen Gesetzen und der empirischen Realität. Nach einem kurzen Aufenthalt als Mathematiker in einer Versicherungsgesellschaft wird Zilsel Professor für Mathematik, Physik und Naturwissenschaften an einem Wiener Gymnasium. Er setzt parallel dazu seine philosophischen und historischen Forschungen fort und veröffentlichte unter anderem einen Aufsatz über Mozart im Jahr 1912 sowie ein Buch über den Begriff des Genies, Die Geniereligion, im Jahr 1918.

Zwischen intellektuellen Kreisen und Politik

1920 engagiert sich Zilsel aktiv im Wiener intellektuellen Leben. Er besucht häufig den Kreis von Moritz Schlick, wo er an den Debatten über die wissenschaftliche Philosophie und den logischen Positivismus teilnimmt, während er einen gewissen Abstand zur Gruppe bewahrt. Er steht auch eng mit dem Kreis von Heinrich Gomperz in Verbindung, der vom Marxismus und der Sozialgeschichte beeinflusst ist.

Es ist in diesem Kontext, dass er seine Habilitationsschrift schreibt, Die Entstehung des Geniebegriffes, eine historische und soziologische Studie über den Begriff des Genies von der Antike bis zur Renaissance, die er 1923 an der Universität Wien einreicht. Obwohl er Unterstützung von einigen Professoren, darunter Schlick und Gomperz, erhält, wird die Thesis wahrscheinlich aufgrund des latenten Antisemitismus an der Universität zu dieser Zeit abgelehnt.

Parallel zu seinen Forschungsaktivitäten betätigen sich Zilsel in der Volksbildung. Er wird einer der hauptsächlichen Lehrer an der Volkshochschule in Ottakring, einer Volkshochschule, die nach dem Ersten Weltkrieg in Wien gegründet wurde[1].

Die Verbannung und die Verfolgung eines unerledigten Programms

Die Nazis an die Macht in Österreich 1938 zwingt Zilsel zur Verbannung. Er flüchtet zuerst nach England, dann nach Amerika mit seiner Frau und seinem Sohn[2].

In der Verbannung stößt Zilsel auf viele Schwierigkeiten, sowohl finanzielle als auch akademische. Er hat Schwierigkeiten, einen stabilen Job zu finden und sich mit vorübergehenden Posten zufriedenzugeben. Trotz dieser Hindernisse arbeitet er weiter an zwei wichtigen Forschungsprojekten: der eine über die sozialen Ursprünge der modernen Wissenschaft, der andere über den Begriff des Gesetzes in der Natur und Geschichte[3].

Trotz dass er einige Artikel während seiner Verbannung veröffentlicht, insbesondere in dem Journal of the History of Ideas und in der American Journal of Sociology, erreicht Zilsel nicht, seine Buchprojekte zu beenden. Er beging 1944 Suizid und hinterließ ein reichhaltiges und unvollendetes Werk[3].

Das Erbe von Zilsel: ein wiederentdeckter Denker

Nach seinem Tod geriet das Werk von Zilsel für mehrere Jahre in Vergessenheit. Erst ab den 1970er Jahren erfuhr es ein erneutes Interesse, zunächst in der deutschsprachigen Welt, dann auch in der anglophonen und francophonen Welt[4].

Heute gilt Zilsel als einer der Pioniere der Wissenschaftsgeschichte und der Wissenschaftssoziologie. Seine Dissertation über die sozialen Ursprünge der modernen Wissenschaft, bekannt als die „Zilsel-These“, bleibt Gegenstand von Debatten und Interpretationen[5].

Seine Betonung der Notwendigkeit eines sowohl historischen, soziologischen als auch philosophischen Ansatzes, um die Entwicklung der Wissenschaften zu verstehen, ist nach wie vor von großer Aktualität, ebenso wie seine Kritik am Kult des Genies und seine Vision einer Wissenschaft, die in sozialen Praktiken verwurzelt ist.

Die französiche Zeitschrift für Soziologie und Geisteswissenschaften Zilsel hat ihm zu Ehren ihren Namen angenommen[6].

Veröffentlichungen (Auswahl)

  • Die Geniereligion. Ein kritischer Versuch über das moderne Persönlichkeitsideal mit einer historischen Begründung, Herausgegeben und eingeleitet von Johann Dvořak, Suhrkamp, Frankfurt am Main 1990, ISBN 978-3-518-28391-2.
  • Die sozialen Ursprünge der neuzeitlichen Wissenschaft, Herausgegeben von Wolfgang Krohn, Frankfurt: Suhrkamp Verlag, 1976.
  • Das Anwendungsproblem. Leipzig: Barth, 1916.
  • Die Entstehung des Geniebegriffes. Ein Beitrag zur Ideengeschichte der Antike und des Frühkapitalismus. Tübingen: Mohr, 1926.
  • mit George D. Santillana: The Development of Rationalism and Empiricism (= International Encyclopedia of Unified Science, Band 2, Nr. 8). University of Chicago Press, Chicago 1941; 6. Auflage, 1967.
  • Physics and the problem of historico-sociological laws (1941). Philosophy of Science, 8, S. 567–579.
  • Wissenschaft und Weltanschauung. Aufsätze 1929–1933. Mit einem Vorwort von Karl Acham, Hrsg. und eingeleitet von Gerald Mozetič, Böhlau Verlag, Wien/Köln/Weimar 1992, ISBN 978-3-205-05386-6.

Literatur

  • Johann Dvořak: Edgar Zilsel und die Einheit der Erkenntnis, Löcker Verlag, Wien 1981. Aktualisierte Neuauflage, LIT Verlag, Wien 2023, ISBN 978-3-643-51155-3.
  • The Social Origins of Modern Science. (D. Raven, W. Krohn, et R. S. Cohen, Éd.). Dordrecht : Kluwer Academic Publishers, 2000. (Sammlung von Essays, die auf Englisch geschrieben sind)
  • Donata Romizi: Die amerikanische Spitze eines Wiener Eisbergs. Edgar Zilsel und die Frage nach den Möglichkeitsbedingungen der Erkenntnis. In: M. Beck und N. Coomann (Hrsg.): Historische Erfahrung und begriffliche Transformation. Deutschsprachige Philosophie im Exil in den USA 1933–1945. LIT Verlag, Wien 2018, S. 78–100.
  • Romizi, Donata, Monika Wulz, et Elisabeth Nemeth (Hrsg.): Edgar Zilsel: Philosopher, Historian, Sociologist. Springer, 2020 ISBN 978-3-030-93686-0 (Online lesen)
  • Literatur von und über Edgar Zilsel im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
  • Eintrag zu Edgar Zilsel im Austria-Forum (im AEIOU-Österreich-Lexikon)
  • Edgar Zilsel. In: dasrotewien.at – Weblexikon der Wiener Sozialdemokratie. SPÖ Wien (Hrsg.)
  • Interview mit Monika Wulz über Edgar Zilsel und seinen Induktionsbegriff

Einzelnachweise

  1. Edgar Zilsel: philosopher, historian, sociologist (= Vienna Circle Institute Yearbook. volume 27). Springer, Cham, Switzerland 2022, ISBN 978-3-03093686-0, S. 23. 
  2. Zilsel, Paul Rudolf, in: Werner Röder; Herbert A. Strauss (Hrsg.): International Biographical Dictionary of Central European Emigrés 1933–1945. Band 2,2. München : Saur, 1983, S. 1279
  3. a b D. Romizi, M. Wulz, E. Nemeth (Hrsg.): Edgar Zilsel: Philosopher, Historian, Sociologist. Springer, 2020, S. 28, 110, doi:10.1007/978-3-030-93687-7 (springer.com [abgerufen am 19. September 2024]). 
  4. Edgar Zilsel: philosopher, historian, sociologist (= Vienna Circle Institute Yearbook. volume 27). Springer, Cham, Switzerland 2022, ISBN 978-3-03093686-0, S. 22. 
  5. Edgar Zilsel: philosopher, historian, sociologist (= Vienna Circle Institute Yearbook. volume 27). Springer, Cham, Switzerland 2022, ISBN 978-3-03093686-0, S. 17. 
  6. Zilsel | Cairn.info. Abgerufen am 19. September 2024. 
Normdaten (Person): GND: 11863688X (lobid, OGND, AKS) | LCCN: n82056762 | VIAF: 2513878 | Wikipedia-Personensuche
Personendaten
NAME Zilsel, Edgar
KURZBESCHREIBUNG österreichischer Philosoph
GEBURTSDATUM 11. August 1891
GEBURTSORT Wien
STERBEDATUM 11. März 1944
STERBEORT Oakland (Kalifornien)